ROHDE, E.,
Psyche. Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen.
Mohr (Siebeck), Tübingen. 1925. 9th/10th ed. 2 vols. XX,329,III,448p. Bound. Leather back.'Das Buch ist Pflichtlektüre für jeden, der sich mit griechischer Religion beschäftigt, obwohl vieles überholt und eine zentrale These, diejenige von Dionysos' spätem Einzug in Griechenland, endgültig widerlegt ist. Diese These folgt aus Rohdes Ansicht, daß Ekstase und persönliche Unsterblichkeit dem Griechentum eigentlich fremd sind, sie resultiert mithin gerade aus jenem klassizistischen Griechenbild, das Rohde selbst zu überwinden suchte. Der Einfluß Nietzsches ist unübersehbar, geht aber weniger tief, als man meinen könnte: Mysterien und ekstatische Kulte waren, wie seine persönlichen Aufzeichnungen zeigen, schon früh immer wieder im Blickpunkt Rohdes. Und der ethnologisch blick, den er auf die griechische Religion wirft, führt nicht bloß die breite kulturwissenschaftliche Orientierung schon des Romanbuchs weiter, sondern speist sich aus eigenständiger Beschäftigung mit außergriechischem wie mit den amerikanischen Shakern, mit denen er bereits 1872 sich abgab. Dies setzt ihn von Nietzsche ebenso ab wie von Wilamowitz, nähert ihn aber dem Kreis um James Frazer in Cambridge an - auch hier ist das Unklassische, sind Riten und andere seltsame Bräuche der heiden, die 'beastly things of the heather' im ethnographischen Vergleich herausgearbeitet worden, wenn auch ungleich prononcierter als bei Rohde. Im breiten kulturwissenschaftlichen Interesse findet Rohdes Werk seine Einheit. (...) Da ist die seit der Frühschrift faßbare Spannung zwischen Normativität und Suche nach dem Unklassischen. Sie hängt mit der Gegenwartskritik zusammen, die einer 'platten, rationalistischen Moderne die anderen, tieferen Griechen gegenüberstellen wollte. `man spürt darin das Ideologische, doch auch erste Anzeichen eines Abschieds aus der Gegenwartskultur, den die Altertumswissenschaft unterdessen längst genommen hat. Tiefer geht die andere Spannung. Rohde muß an der Einzigartigkeit der Griechen festhalten, wenn sie Vorbilder beleiben sollen. Zugleich aber hat er den vergleichenden Blick des Kultur- und Religionswissensschaftlers. Den Anspruch auf gesamtgesellschaftliche Normativität wird kaum ein Altertumswissenschaftler mehr erheben. Aber die Spannung zwischen Besonderheit und Vergleichbarkeit bleibt der eigentliche Motor jeder fruchtbaren Beschäftigung mit einer fremden Kultur. Dafür bleibt Rohde das große Beispiel.'(FRITZ GRAF in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.10.95).
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(Antiquarian)